Daily Archive for November 4th, 2009

Titan!

Lord Byron

Prometheus

I

Titan, es wollte deinen ewigen Augen
Das Elend all der Sterblichkeit
Im Licht der traurigen Wirklichkeit
Nicht göttlicher Verachtung taugen.
Was war des Mitleids Lohn für dich ?
Ein Leiden, stumm und nachdrücklich:
Der Geier, der Fels, in Ketten gelegt,
Alles, was der Edle an Schmerzen erträgt;
Doch zeigt er nicht die Agonie,
Das würgende Gefühl von Weh,
Spricht nur in höchster Einsamkeit,
und fürchtet dann am Himmel immer
Noch Ohren. Es dringt kein Wimmer,
Bis seine Stimme ohne Echo bleibt.

II

Titan, dir war der Streit gegeben,
Der zwischen Leid und Wille sich entspann,
Die quälen, wo man nicht töten kann.
Der unerbittliche Himmel, eben
Des Schicksals taube Tyrannei,
Vom Grunde herrschend, Haß dabei,
Die, sich zur Freude gern errichten,
Die Dinge, die sie dann vernichten,
Verwehrten dir des Todes Gunst,
Unsterblichkeit, elende Gabe
war dein – die Last hat dich nicht übermannt.
Ja, was der Donn’rer dir entwunden
schleuderte drohend ins Genick
Ihm Martern, wie sie dich gedrückt:
Sein Schicksal, das du ihm gefunden,
Hast du ihm nicht benannt.
Und aus deinem Schweigen sein Urteil klingt
Und vergebliche Reumut seine Seele durchdringt
Und schreckliche Furcht, die, ungebannt
Ließ zittern die Blitze in sener Hand.

III

Dein göttlich’ Verbrechen war Güte zu zeigen
Und so durch deine hilfreichen Lehren
Der Summe des menschlichen Elends zu wehren
Und zu kräftigen ihn mit Verstand ihm eigen.
Doch genarrt wie du warst aus der Höh’,
Starr in geduldiger Energie,
Starr im Ertragen, im Widerstand
Deines undurchdringlichen Geistes,
Vergeblich von Erde und Himmel berannt
Uns gewaltigen Hinweis verheißt es:
Du bist Symbol und Zeichen
Für Sterbliche, für ihr Schicksal und Kraft
Gleich dir sie halb Göttlichem gleichen
Aus reinem Quell getrübter Saft
Es sieht der Mensch zum Teil voraus
Sein eigenes Ende im Totenhaus,
Sein Elend, seine Resistenz,
Seine traurige, einsame Existenz -
Doch darf sein Geist sich dagegen erheben,
Und ebenso allem Weh widerstreben.
Und festen Willen, und tiefen Sinn,
Der selbst gefoltert zu sehen vermag
Des eigenen Mittelpunkts Gewinn;
Triumph, wo Widerstand er wagt,
Und Tod in Sieg verwandelt.

 

Lord Byron

Lord Byron